VIA ALPINA

Woche 14 – Kalte Nacht auf 3000 Meter

Die Woche startete, beziehungsweise führte, das Regenwetter fort. Aber ich hatte nur eine ganz kurze Etappe vor mir. Von „Le Brevieres“ lief ich nach Tignes, wo ich mich auf den Pausentag freute. Ich wartete mit dem Loslaufen bis am Nachmittag, da das Wetter dann weniger schlecht sein sollte. Aber auch am Nachmittag regnete es non-stop. Die kurze Wanderung war trotz dem miesen Wetter viel schöner als erwartet. Am frühen Abend kam ich in Tignes an. Das Dorf liegt auf über 2000 Metern über Meer und war extrem ausgestorben. Tignes kannte ich schon von den Erzählungen meiner Mutter und meinem Bruder. Andri nahm hier nämlich vor vielen Jahren an den Kinder X-Games teil. Beide haben jedoch nicht viel Gutes über Tignes zu erzählen gehabt. Mein erster Eindruck bestätigte ihre Meinung. Es war ein wunderschöner Ort, ein Bergsee umgeben von Gipfeln und Alpen. Jedoch komplett verbaut und dann auch noch alles andere als geschmackvoll. Es gab doch tatsächlich Hochhäuser! Es tat mir fast weh, dass so ein schöner Ort so verschandelt wurde. Im Gegensatz zu der Schweiz ist hier in Frankreich nach Ende August auch gar nichts mehr los. Obwohl der Ort sehr gross war, gab es ein einziges offenes Restaurant, was eher einem Club ähnelte. Dort bekam ich eine schlechte Pizza und ein abgestandenes Cola ohne Kohlensäure.

Im Hotelzimmer hatte es auf dem Bett noch ein paar fremde Haare, aber sonst wars ganz okay. Am nächsten Tag wollte ich, wie mit der Rezeptionistin verabredet meine Kleidung zum Waschen bringen, aber da sass nun eine andere Angestellte und die hatte absolut keine Lust darauf den Wäscheservice (welcher offiziell angeboten wurde) umzusetzen. Irgendwie konnte ich sie überreden, aber sie war sehr genervt von mir. Freundlichkeit ist in Tignes wohl eher ein Luxus – das merkte ich schnell. Aber egal, hauptsache meine Kleider werden sauber. So verbrachte ich den ganzen Tag mit dem Bademantel im Zimmer. Draussen vor dem Hotel war eine riesen Baustelle und ein nettes Mittagsschläfchen am Pausentag war ausserhalb des Möglichen. Als ich meine Kleider wieder hatte, konnte ich Abendessen gehen und da sah ich zum ersten Mal Herrmann. Ich wusste sofort, dass er weitwandert. Man sah es ihm an. Er hatte zwei Pack Müsliriegel in der Hand, Wanderschuhe an und eine altmodische (aus Manchester) Wanderhose bis über die Knie. Auch er suchte ein Restaurant und wir landeten im gleichen. Als ich fertig und bereit war zu gehen, sprach ich ihn an. Er stellte sich als meine bisher spannendste Begegnung raus und ich war sehr froh ihm über den Weg gelaufen zu sein. Er lief nämlich auch die rote Via Alpina! Hermann war aus Deutschland, 69 Jahre alt und wandert seit über 30 Jahren Fernwanderwege. Er erklärte mir auch gleich den Unterschied zwischen einem Fernwanderweg und einem Weitwanderweg. Ein Fernwanderweg überschreitet nämlich Landesgrenzen. Also war ich auf einer Fernwanderung und nicht auf einer Weitwanderung. Er lief die rote Via Alpina in drei Teilen und macht nun sein letztes Drittel bis nach Monaco. Nicht nur das, er warf mit Wanderwegrouten förmlich um sich: GR5, GR10, Franzikusweg, Sentiero d Italia, GTA, GEA und so weiter. Mir trümmelte der Kopf und manchmal nickte ich nur noch verwirrt. Denn er hatte sie alle gemacht (oder fast alle). Der drahtige, alte Mann hat doch tatsächlich schon über 40‘000 Kilometer unter seinen Füssen. Unglaublich, hier hatte ich somit einen waschechten Weit- nein sorry, Fernwanderer getroffen. Auch beeindruckte mich, dass er kein Zelt dabei hat. Er trägt eine Matte und Schlafsack, um damit in leeren Ställen, Garagen, in Kirchen und auf Friedhöfen zu schlafen. Er spielt also in einer ganz anderen Liga als ich. So viel Mut und Gelassenheit muss man mal haben! Weil er jetzt schon 69 ist, schläft er jedoch jede zweite Nacht in einer Unterkunft. Ich war sprachlos vor Staunen. 

Am nächsten Morgen beim Frühstück stand auf einmal wieder Herrmann vor mir. Wir waren also im gleichen Hotel. Geöffnet war in diesem Ort ja definitiv nicht viel. Ich nutze das Hotel noch ein bisschen aus und startete erst nach 10.00 Uhr, da war Hermann schon gestartet. Später holte ich ihn ein und er wollte sofort meinen Rucksack hochhalten, um zu testen wie schwer er ist. Ich hatte ihm gesagt, dass mein Rucksack im Moment ca. 12 Kilogramm wiegen würde und er hatte es mir einfach nicht geglaubt. Er meinte dann, der sei bestimmt schwerer, als ich angebe oder seiner sei leichter als er meiner. Ich weiss nur, dass ich alles gewogen hatte. Somit sollte meine Angabe ungefähr korrekt sein. Er redete wieder von den vielen Trails und später meinte er, ich solle weiterlaufen, er halte mich nur auf. Ich lief bis zum „Col du la Leisse“ und genoss das Prachtswetter! Es hatte geschneit und der Kontrast der Farben war einmalig. Ich hatte auch eine tolle Sicht auf den Gletscher oberhalb von Tignes. Es war einer der aller schönsten Tage bisher! Auf dem Pass auf über 2700 Meter über Meer wartete ich aus einer Laune heraus auf Hermann. Er freute sich sichtlich und wir liefen gemeinsam weiter. Das Etappenziel war eigentlich das „Refuge de la Leisse“ und wir plauderten bis dorthin non-stop. Hermann sagte, dass er normalerweise nicht so viel rede – er wäre gerne alleine. Und auf seinen vielen Wanderungen hat er nur ganz selten für kurze Abschnitte einen Wanderfreund dabei. Aber meistens werde es im schnell zu anstrengend, da er eine Egoist sei und alleine alles einfacher sei. Gleichzeitig erzählte er mir später aber auch persönlichere Geschichten, warum er nie wirklich eine Partnerin hatte und nun zu Hause, wenn er mal nicht wandert, sehr einsam wäre. Obwohl er beim Wandern auch alleine unterwegs ist, fühlt er sich nur dann nicht einsam. Hermann ist Vegetarier, wie ich. Aber seit 40 Jahren! Ich meinte dann, wenn ich ihn wäre, würde ich mich in einem Tierheim ehrenamtlich engagieren – in der wanderfreien Zeit. Er fand das eine gute Idee. Beim Refuge assen wir etwas und er zeigte mir all seine Karten, Wanderführer und seine handgeschriebenen Etappenpläne. Es war recht beeindruckend. Er hatte weder ein Handy noch ein GPS-Gerät. Hermann bestand nach dem Mittagessen darauf mich einzuladen, da ihm letztens ein Schweizer Wanderer seine Hüttenübernachtung einfach so bezahlt hatte. Wir tauschten die Adressen aus und versprachen, uns gegenseitig eine Karte von Monaco zu schicken. Hermann machte nur bei schlechtem Wetter Pause und wandert von 09.00 Uhr bis nach dem Sonnenuntergang – jeden Tag. Langsam, aber verdammt lange Strecken. Ein zäher, alter Mann. Er sagte, falls wir gleichzeitig in Monaco sind, möchte er mit mir einen Prosecco trinken. Ich sagte, ob auch was anderes als Prosecco ginge (wollte einen Pina Colada) und er meinte ja klar. Daher gab ich ihm meine Handynummer und er wird mich aus seinem Hotel in Monaco anrufen, um herauszufinden, ob ich auch dort bin. Falls ich ein paar Tage später ankomme, würde er sogar auf mich warten wollen. Ich werde nämlich in der letzten Woche einen Umweg kürzen und die direkte Route wählen. Ich habe mir vorgenommen den letzten Teil mehr zu geniessen und nach Lust und Laune zu laufen. Also weniger lange Strecken wie in den ersten 2-3 Monaten. Hermann wird mich also überholen und so könnte es mit meiner Abkürzung aber sein, dass wir gleichzeitig am Meer ankommen. Nach dem späten Mittagessen liefen wir weiter und bei der nächsten Hütte entschloss ich mich, dass ich dort übernachten werde. Damit verabschiedete ich mich von Hermann, der sich noch einmal fürs viele Reden entschuldigte. Dabei genoss ich seine vielen Wandergeschichten sehr! 


In der Hütte „Entre des Eaux“ war man nicht gerade vegetarier-freundlich, aber sonst war mein Aufenthalt super. Ich hatte an diesem Tag einfach mega Lust auf eine Nacht in einer Hütte, anstatt im Zelt. Ausserdem ist mir in letzter Zeit immer sehr kalt. Ich habe den Herbst und damit den logischen Temperatursturz massiv unterschätzt! In der Hütte lernte ich erst Bianca aus Berlin kennen, die für zwei Wochen auf dem GR5 wandert. Seit Tignes hat es allgemein sehr viele Weitwanderer mit grossen Rucksäcken, die meistens auf dem GR5 laufen. Bei Bianca fand ich cool, dass sie trotz „kleinen“ Kindern ihr eigenes Abenteuer durchzog. Sie hatte sogar die ganze Zeltausrüstung dabei. Beim Abendessen kamen noch weitere Gäste dazu und die eine Frau kam mir so bekannt vor! Sie erzählte, dass sie und ihr Partner auf einer Reportagen-Wanderung seien, um ihren Wanderführer von diesem Gebiet „Vanoise“ zu überarbeiten. Dann machte es Klick! Ich sagte: „Kann es sein, dass Sie mal in Flims am Wandern waren?“ Da meinte Dieter, ihr Partner, nur:“ Hey also hier Siezen wir doch nicht!“ Die Frau schaute verwirrt aus. Dann fragte ich weiter: „Auf einer Medienreise mit dem GeoGuide Ruedi vielleicht?“ Da ging auch ihr ein Licht auf! Unglaublich. Vor mir sass Iris Kürschner und ich hatte sie vor etwa fünf Jahren gemeinsam mit einem GeoGuide auf einer Medienreise durch die Region Flims geführt. Den Iris schreibt nicht nur ihre eigenen Wanderführer für Rother, sondern textet auch als Freelance-Journalistin für das SAC Magazin die Alpen und viele weitere Outdoor-Zeitschriften. Der lustige Zufall lockerte schnell die Runde auf und wir quatschen fröhlich. Nur Hennig aus Dänemark, welcher den gesamten GR5 in zwei Wochen macht (Trailrunner), kam leider bei unseren schnellen Wortwechseln nicht immer nach. Aber wir waren zu euphorisch, um anstandshalber auf Englisch zu wechseln.

Am nächsten Morgen startete ich gemütlich nach dem Frühstück und stieg zuerst ein kleines Stück ab, lief über eine Brücke und dann auf den Pass, wo sich auch die Hütte „Plan du Lac“ befindet. Danach vorbei an einem Bergsee und schon sah ich ins Tal, wo ich abstieg bis nach Termignon. Während dem Abstieg trödelte ich ein bisschen und hörte ein Hörbuch. In Termignon hatte ich vor etwas zu essen, aber auch dieser Ort stellte sich als Geisterdorf heraus. Daher lief ich weiter und kam zu einem kleinen Camping. Dort stellte ich mein Zelt auf und wollte direkt zum daneben gelegenen See. Der hatte einen Zaun mit Tor, aber beim See hatte es Leute und das Tor war nicht abgeschlossen. Ich ging deshalb durchs Tor und wurde direkt wieder verscheucht. Die Saison sei vorbei, der See somit geschlossen und ausserdem ist hier Privatgelände und ich müsse wieder gehen. „Da ist der Ausgang!“ Der Mann der mir das sagte, sass dort mit einem kleinen Kind und seiner  Frau am Ufer und ich verliess demütig den See. Schade, dass er nicht eine Ausnahme machte. Ich war ja nur eine einzelne Person und nach einer Stunde wäre ich sowieso wieder weggewesen. Ein bisschen deprimiert verscheucht worden zu sein ging ich einkaufen und kochte mir ein feines Abendessen. Weil es bei der Camping Rezeption gutes Internet hatte, downloadete ich eine Folge einer neuen Serie von Netflix. Ich schaue sehr selten Netflix und mein Account lohnt sich fast nicht. Aber ich hatte Lust mich wie eine normale 27-Jährige zu fühlen, die am Abend eine Netflix-Serie schaut. Da Trash-TV auf mich eine komische Anziehung hat, entschied ich mich für „Selling-Sunset“. Ich genoss dann im Zelt ein paar Folgen auf meinem Handy und benutzte dafür sogar das Fotostativ. In der Serie geht es um Zickenkrieg und Frauen die Luxusvillen in L.A. verkaufen. Genau das Richtige, da man es einfach ohne Nachzudenken schauen kann und – wie in meinem Fall – total entspannt. 

Für am Donnerstag stand keine spannende Route auf dem Programm. Ich lief mehr oder weniger im Wald des Tals vom Camping bei Termignon nach Modane. Somit auch kaum Höhenmeter, was ab und zu mega cool ist. Um 15.00 Uhr kam ich in Modane an und traf mich vor dem Supermarkt mit Paul. Paul hatte ich schon einmal im Blog erwähnt, als ich ihn im Wallis auf dem Camping bei Champex traf. Er läuft vom Berner Oberland nach Monaco und folgt seiner eigenen – etwas anspruchsvolleren – Route, wobei er sich an der Via Alpina orientiert. Somit laufen wir oft parallel voneinander. Er ist jetzt seit drei oder vier Wochen unterwegs und reist im Herbst nach einem Jahr in Frankreich zurück in seine Heimat Quebec. Gegen Paul ist Hermann nichts. Und das meine ich liebevoll! Aber Paul ist wohl der gesprächigste Mann, den ich je kennengelernt habe. Wir liefen nach einem Einkauf gemeinsam weiter und er hatte viel zu erzählen. Man muss aber sagen, dass er mich schon recht gut kennt, weil er meine Blogposts liest und wir somit viel aufzuholen hatten, damit ich bald gleich umfangreich über ihn Bescheid weiss. Auch war es schön ein bekanntes Gesicht zu sehen, da ich schon wieder eine leichte Einsamkeit verspürte. Nach einem Aufstieg ins „Valfrejus“ kamen wir zur Überraschung an einem kleinen Supermarkt vorbei, welcher demnächst schliesst (also bis im Winter) und somit viel im 50%-Angebot hatte. Paul kann es gar nicht haben, wenn Lebensmittel weggeschmissen werden. Daher übertreibt er es dann etwas mit einkaufen und schleppt immer ziemlich viel Essen mit sich herum. Man muss aber auch sagen, dass er verdammt viel isst. Es ist witzig zu sehen, wie er eine ganz andere Technik hat beim Wandern. Sei es mit Verpflegung und auch mit dem Tragesystem (check das Foto). Im Vergleich zu mir ist der Franco-Canadier eher so der „Into the Wild“-Typ. Ich bin dann doch immer wieder dankbar für eine charmante Hütte oder auch mal ein Hotel. Er hingegen schläft fast immer im Zelt und macht auch (bis jetzt) keine Pausen. Wir bekamen von der Frau im Supermarkt den Tipp, beim Gite (Herberge) oberhalb des Dorfes zu Zelten. Das Gite sah herzig aus und ich (immer frierend) entschied mich spontan im Massenschlag zu übernachten, während Paul im Garten zeltete. Für das Biwakieren vor einer Hütte muss man übrigens oft auch Zahlen, wegen der Benutzung der Wc‘s und in diesem Fall auch noch Dusche und einen Aufenthaltsraum. Im Massenschlag wurde wieder wie wild geschnarcht, aber ich schlief herrlich.

Am Freitag wanderten Paul und ich gemeinsam los. Er wollte auf den Mont Thabor auf über 3000 Meter, welcher nicht so ein grosser Umweg von der Via Alpina war. Ich hatte vor mitzugehen und dann wieder abzusteigen. Denn Paul wollte auf dem Gipfel schlafen und da ich letztens ernsthaft auf einer Höhe von 1500 Meter fror, entschied ich mich dagegen. Die Wanderung durch das Hochtal war atemberaubend schön und machte mich sehr glücklich. Irgendwann kamen wir zu einem herrlichen Platz an einem kleinen Fluss und ich kam in Versuchung schon dort, um 13.00 Uhr, mein Zelt aufzustellen. Dann aber kam bei mir ganz spontan der Mut oder die Lust auf, doch auch auf dem Gipfel auf 3000 Meter zu schlafen. Mir wurde bewusst, dass ich bald dieses Gebirge hinter mir lasse, und danach evtl. gar nicht mehr viele 3000er Berge folgen. So dachte ich, dass es cool wäre, einen 3000er Ausflug zu machen und es gleichzeitig mein höchster Schlafplatz werden zu lassen. Meine Entscheidung war gefällt und somit nahm ich den Rucksack mit auf den Gipfel (sonst hätte ich ihn beim Pass davor deponiert) und stellte mich sehr bewusst auf eine verdammt kalte Nacht ein. Eine, die eigentlich ziemlich schrecklich sein wird, und gleichzeitig unvergesslich schön. Aber für einen traumhaften Sonnenaufgang war ich bereit ein bisschen Leiden in Kauf zu nehmen. Die Strecke bis zum Mont Thabor führte an einem blauglitzerenden Bergsee vorbei und danach geht es auf dem Rücken (wenig bis gar nicht anspruchsvoll) auf den Gipfel. Dort oben steht doch tatsächlich eine recht grosse Kapelle. Sie fällt fast auseinander, war etwas unheimlich, aber ich speicherte sie auf jeden Fall als Notfall-Schlafplatz ab. Oben auf dem Gipfel entschied ich mich ein kleines bisschen unterhalb des höchsten Punktes mein Zelt aufzustellen, da es dort schon recht gute, schützende Steinmauern gab. Ich ging also auf Nummer sicher. Paul wollte zuoberst sein. Wir waren schlussendlich recht weit weg voneinander, aber ich fand es toll diesen Moment für mich alleine zu haben. Wir kochten noch gemeinsam Znacht und danach ging ich schnurstracks ins „Bett“, um ja nicht erst auszukühlen. Diese Strategie klappte hervorragend, auch wenn ich mir sogar den Sonnenuntergang dafür entgehen liess (war auf der anderen Seite des Gipfels und erst um 21.00 Uhr). Um 23.00 Uhr wachte ich auf und konnte nicht schlafen, weil mir so heiss war. Also zog ich meine Leggings und die Dauenjacke aus. Später wachte ich auf und mir war kalt. War ja klar. Aber nach 04.00 Uhr hatte ich die kälteste Zeit überstanden und freute mich auf den Sonnenaufgang.

Der Sonnenaufgang war magisch, genau wie ich es mir vorgestellt hatte. Die Nacht war alles in allem viel besser als erwartet. Gar nicht mal extrem kalt. Einfach nur kalt. Da hatte ich bei meinen im-Schnee-Schlafen-Abenteuer in Flims schon mehr gelitten. Nach dem Sonnenaufgang servierte Paul sein Lieblingsdessert „Flan“, ein Schokoladenpudding. Danach liefen wir ein paar Höhenmeter runter, bevor unsere Wege sich (wortwörtlich) wieder trennten. Es war wirklich cool, dass ich dank Paul auf 3000 Meter übernachtet hatte. Solche Erlebnisse kannte ich ja grundsätzlich schon, aber auf der Via Alpina ging ich immer ein bisschen auf „safe“ und verzichtete auf gröbere Abstecher für mehr Action. Auch war ich zufrieden, dass ich es diese Woche bewusst langsam angehen liess und keine riesen Etappen plante. So war ich mal nicht total erschöpft, denn dann wäre ich wohl auch nicht dort hoch gelaufen.


Spezial Zusatz mit Bildern von Paul Labranche.


Zufrieden marschierte ich den Berg runter und kam in ein weiteres malerisches Hochtal. Die Gegend war einfach genial! Es kamen mir Massen an Wanderer entgegen, die auf den Gipfel wollten. Dann bog ich vom Hauptweg ab und schon war ich wieder alleine. Ich lief auf den „Col de Vallon“ auf 2600 Meter über Meer und dann bis nach Nevache. Die Strecke war sehr alpin und das gefällt mir immer sehr. Der Abstieg dauerte eigentlich nur drei Stunden, aber es war trotzdem mühsam. Im kleinen Dorf „Nevache“ ass ich etwas und wanderte dann weiter bis zum „Refuge Buffere“. Ich durfte vor der Hütte zelten. Die Hüttenwartin war extrem nett und die Hütte machte einen charmanten Eindruck. Fast war ich ein bisschen traurig, dass ich sie nicht richtig testen konnte. Ich bin so ein Hüttenfan, irgendwann muss ich mal ein Projekt planen, alle Schweizer Hütten zu besuchen. Aber Zelten und das absolute Alleinsein ist auch unschlagbar. Für einen Euro durfte ich die Solardusche benutzen und setzte mich fürs Blogpost schreiben und wegen der nassen Haare (war schon sehr kalt und super windig) ins Warme. Ich wurde umsorgt und mit meinem Vornamen angesprochen, obwohl die Hütte brechend voll war. Unglaublich, wie ich mich jeweils freue und was für ein warmes Gefühl es einem gibt, wenn man alleine unterwegs ist und man ausnahmsweise mal mit dem Namen angesprochen wird. Nach einer warmen Suppe zog ich mich gegen 21.00 Uhr ins Zelt zurück und lies mein Buch „The Rosie-Project“ zu Ende.

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1 Comment

  • Reply
    Susanne und Andreas
    17. September 2020 at 20:57

    Liebe Christina, wir finden es toll, dass du die Via Alpina machst und uns daran teilhaben lässt. Voller Freude lesen wir deinen Blog, und manches kommt uns von unseren eigenen Wanderungen bekannt vor. Du bist super unterwegs, alle Achtung. Wir wünschen dir weiterhin gutes Gelingen und viele unvergessliche Erlebnisse.

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