In der Nacht hörte ich abwechselnd Steinschlag oder die Fische im See. Es war so schön und ich habe noch nicht einmal gefroren! Seit ich wärmere Sachen habe, ist dieses Problem verschwunden – ich bin also nicht zu einer Memme geworden. Am Schönsten ist es nämlich schon, wenn man auf 2700 Meter über Meer aufwacht und die Steinböcke auf dem Bergkamm beobachten kann. Sie waren es übrigens, die für denn ständigen Steinschlag (also „Krach“) verantwortlich waren. Aber das bemerkte ich erst am Morgen. Ich verweilte ziemlich lange, da ich wusste, dass es dauern würde, bis die ersten Wanderer hier eintreffen. So trocknete mein Zelt und ich genoss die Ruhe. Als die ersten Leute beim See ankamen packte ich zusammen und lief über den Pass „Col du Mary“ von Frankreich nach Italien. Kaum 10 Meter über der Grenze sprachen mich die ersten Italiener an. Ich freute mich sehr auf Italien, ich mag die Menschen. Sie fragten eigentlich alle ständig, wie weit es noch bis zum Pass geht. Dabei sah ich wieder ganz wilde Outfits. Von uralten, verbleichten Rucksäcken in allen Farben, zu gewöhnlichen New Balance Strassenschuhen und Trainerhosen. In Frankreich waren solche interessanten Anblicke seltener. Die haben ihren Decathlon und sind daher meist recht gut ausgerüstet. Bei den Italienern kommt auch immer die ganze Familie. Die Nonna, die keuchend mit einem Ast als Stecken kam, war bestimmt weit über 70 (Schätzung: 78). Von den Italienern bin ich einfach immer wieder überrascht! Denn der Pass ist nicht ohne: Es ist steil und man hat einen langen Anstieg auf über 2600 Meter über Meer. Weiter unten dann das nächste Klischee. Die gemütlicheren Italiener fahren alle mit dem Auto irgendwo hoch und stellen dann ihre Liegestühle auf, haben Picknickdecken dabei und die, die es sehr ernst meinen, haben sogar Tisch, Stühle und Sonnenschirm eingepackt. Selbstverständlich ist wie immer die ganze Familie von mindestens drei Generationen im Schlepptau. Was ich besonders schätze ist die gute Laune und die Freundlichkeit unserer Landesnachbarn. Ich lief bis ins Tal und kam nach Chiappera. Dort gab es eigentlich ein super „Posto Tappa“ (so heissen die Wanderherbergen in Italien – sind für den GTA – Grande Traversata delle Alpi entstanden), doch ich stoppte nur für Verpflegung. Mein Luxus beim Wandern, für was ich mich immer ein bisschen schäme: Ich bestelle oft ein Eistee und eine Cola. Erstens sind die Getränke hier kleiner (also 2 bis max. 3dl) und ich habe immer so Durst und Lust darauf. Cola trinke ich sonst nie, das ist so eine Wandersache geworden. Danach wanderte ich weiter weg von diesem herzigen Dorf und kam zu einem einfachen Camping, welcher auf meiner Karte eingezeichnet war. Dort angekommen hatte es aber überall Verbotsblätter aufgehängt und ich wartete erst einmal ab. Später fragte ich eine Frau, was denn nun hier stimmt. Ob man jetzt campen dürfe oder nicht. Sie sagte nein, es ist schon verboten – also nur aktuell – aber warum wisse sie nicht. Sie würde mir einfach vorschlagen zu warten bis alle weg sind, das Zelt dann aufstellen und am Morgen früh zu gehen. Das war auch mein Plan. Vorher badete ich kurz im Fluss, damit ich frisch in den Schlafsack kann. Ich stellte das Zelt möglichst versteckt auf. Später kamen noch VW Californias mit Leuten in meinem Alter und die waren alle recht entspannt, was das Verbot anging. Stellten ihr Zeugs draussen auf, duschten vor dem Auto (ja nackt und das sah sehr umständlich aus) und hatten wohl keine Angst erwischt zu werden. Das Kochen liess ich sein, da ich Gas und Essen sparen musste. Das Sandwich vom Mittag und ein Eis reichte, wenn ich noch einen Riegel zum Znacht ass.
Am Morgen war mein Zelt pflutschnass. Typisch Herbst und das nervt mich total. Auch die Schnecken klebten überall und ich musste sie erst entfernen. Meinen Flip Flop im Vorzelt hatten sie auch verschleimt. Ich startete um 08.00 Uhr den Anstieg auf den „ Passo Carbonet“ und kam sehr gut voran. Das Wetter war etwas bedeckt und mein Hals kratzte ein bisschen. Auf dem Pass musste ich mich umziehen, setzte die Mütze auf und trug nun ein langarm Shirt. Der Abstieg folgte auf einer Bergstrasse und schon bald konnte ich die wenigen Häuser des Mini-Dorfes Chiavletta erkennen. Die GTA (oben erklärt) und die Via Alpina teilen nun für ein paar Etappen die gleiche Strecke. So sind auch die Unterkünfte der Via Alpina, die Gleichen der GTA. Das Coole an der GTA ist, dass sie initiiert wurde, um das Aussterben der kleinen Dörfer zu verhindern und den Wandertourismus anzukurbeln. Indem es also in jedem kleinen Dorf einen „Posto Tappa“ gibt, kommen immer wieder Leute vorbei. Auch sollen diese italienischen kleinen Herbergen extrem charmant sein und die Wandergäste mit fantastischem Essen verwöhnen. Ich wollte unbedingt eine besuchen, aber Chiavletta war ein bisschen ein Umweg, sodass ich direkt weiter lief zum nächsten Pass. Der Passo di Gardetta war auf 2500 Metern über Meer und gleich dahinter war das Rifugio. Unterwegs kam ich bei verschiedenen Bunkern vorbei, welche ich genauer anschaute. Man konnte ziemlich weit hinein gehen, was mir aber irgendwann zu unheimlich wurde. Draussen traf ich einen flotten Italiener der mich direkt fragte, ob ich auch auf Facebook sei und er gab mir seine Visitenkarte (dort steht: Galliano Chiaffreda – Diary Farm). Ich solle ihn als Freund anfragen. Er fand das mit der Via Alpina sehr interessant. Es ist nun schon etwas verrückt, wenn die Leute fragen, wie lange ich schon wandere und ich nun ernsthaft vier Monate sagen muss. Ich glaube es mir ja selbst kaum. Einfachheitshalber sage ich nun jeweils auch, dass ich von Trieste gestartet bin. Obwohl das ja routenmässig nicht ganz stimmt. Aber ob ich von dort komme oder dahin gelaufen bin ist ja egal. Die ganze Corona-Story und meine Planung mag ich nämlich nicht erklären – schon gar nicht auf Italienisch.
Das Rifugio Gardetta etwas unterhalb des Passes war zu. Zum Glück sagte mir das schon Galliano, so konnte ich mir den Umweg sparen. Sonst hätte ich gerne in der Nähe der Hütte biwakiert und dort noch was getrunken und gegessen. Das Wetter wurde schlechter, aber auf dem Pass hatte ich wieder Netz und da ich noch eine Pendenz hatte bezüglich einem PR-Mandat, checkte ich meine Emails. Dort las ich von schlechten Nachrichten und Missverständnissen und war ziemlich genervt. Auch weil ich mich nicht wirklich darum kümmern konnte, da die Verbindung immer abbrach. Es wurde zu kalt und windig und so machte ich mich auf den Weg zum dritten Pass an diesem Tag. Der war nun über 2600 Meter über Meer und sah sehr eindrücklich aus. Ich beeilte mich etwas, denn das Wetter konnte jederzeit kippen. Mein Plan B war es, bei einem See zu schlafen, weil das Rifugio als Plan A ja nicht aufging. Doch schon bald stiess ich auf viele Kühe und merkte, dass es schwierig werden könnte. Sie waren nicht eingezäunt und versperrten mir mehrmals den Weg. Da überall Kälber waren, machte ich riesige Umwege, um ja keine Mütterkühe zu verärgern. Es hätte nämlich keinen Ausweg bzw. Schutz gegeben, wie ein Baum oder irgendetwas anderes. Noch mindestens drei Mal suchte ich das Weite. Beim erwähnten See waren zwar in diesem Moment keine Kühe, aber sie waren sonst überall und daher kam dieser als Schlafplatz nicht in Frage. Ich wanderte weiter und kam schon bald wieder zur Waldgrenze. Dann endlich kam ein Zaun und ich dachte, die Kühe sind mir nun vom Leib. Schlussendlich sah ich von oben eine kleines Wiesenstück und merkte es mir als Zeltplatz. Dort angekommen war es definitiv eine Kuhwiese und es gab auch ein Wassertrog, der aber nicht mehr mit frischem Wasser gefüllt war. Meine Annahme war, dass die Kühe nun alle weiter oben sind und deshalb baute ich das Zelt trotzdem auf. Ich kochte noch Pasta im Vorzelt und als ich mich zum Schlafen hinlegte fing es schon an. Die Kühe muhten aus allen Ecken. Die eine fing weit oben an, dann machte irgendwo eine Kuh von der anderen Seite des Tals weiter und dann als dritte meldete sich immer eine, die irgendwo bei mir in der Nähe sein musste. Etwas unterhalb und hinter meinem Schlafplatz. Das ging die ganze Nacht so und ich war so angespannt. Einmal kam ich um ca. 22.00 Uhr aus dem Zelt, weil ich auch etwas hörte. Doch es waren nur Rehe, die beim Wassertrog tranken. Um 01.44 Uhr war das Muhen quasi unmittelbar neben mir und auch da schaute ich aus dem Zelt – der Adrenalinpegel im Höchststand. Doch ich konnte nie eine Kuh sehen, dafür den aller schönsten Sternenhimmel! Meine Nacht war schrecklich, ich schlief fast gar nicht. Ich dachte hier wandert nun ein Herde Kühe auf mich zu, dann werden sie über mein Zelt stolpern, auf mich drauf fallen und schon wäre ich platt gedrückt.
Endlich wurde es hell, ich baute alles ab – das Zelt pflutschnass wie immer und lief ins Tal nach Pontebernardo. Gerade als ich loslief, klingelte mein Handy. Der Anruf kam aus Italien und ich hatte schon einen Verdacht, der sich auch bestätigte. Es war Hermann! Er durfte mich aus der Hotelrezeption anrufen. Die fleissigen Blogleser müssten ihn noch kennen aus der Via Alpina Woche 14. Er fragte wo ich bin und es stellte sich heraus, dass er aktuell zwei Etappen vor mir ist. Lange konnten wir nicht quatschen, aber er wollte mir mitteilen, wann er ungefähr in Monaco ist, damit wir uns treffen können. Ich hoffe das klappt, ich bin nämlich so gespannt was er noch alles verrücktes erlebt hat.
Da ich am Tag zuvor weit gelaufen bin, weil ich nie einen Schlafplatz gefunden hatte, war es nun bis ins Dorf nach Pontebernardo ein Katzensprung. Ich wollte heute endlich eine GTA-Unterkunft testen und kam zur Bar Barricate und sah das Schild „chiuso“. „Scheisse!“, sagte ich laut. Ich wollte doch duschen und ein Bett, um Schlaf aufholen zu können! Da kam ein Mann und sagte ich solle hier warten und schon kam er zurück mit dem Schlüssel der Unterkunft. Ich hatte glücklicherweise den Besitzer „Walter“ angetroffen! Die Bar und das Restaurant waren zu, aber Wanderer schlafen in einem anderen Gebäude und ich durfte auch zum Abendessen kommen. Genial, was für ein Glück. Ich duschte endlich wieder, wusch meine Sachen die mittlerweile echt stinken (nach 8 Tagen ohne waschen) und hängte mein nasses Zelt auf dem Balkon auf. Danach legte ich mich ins Bett mit der Idee den Schlafmangel zu kompensieren. Es gelang nicht wirklich. Nach einem Znachtessen und sehr netter Umsorgung ging ich ins Bett und schlief herrlich.
Am Morgen packte ich meine Sachen und verliess das Wanderhaus. Dann lief ich wieder zum Restaurant und bekam dort ein Frühstück. Heute stand eine Strecke bis zur Hütte Migliorero an. So wanderte ich hinauf ins Prato Vallone Tal und von dort über den Passo Scolettas. Nach dem Scolettaspass stieg ich ab ins nächste Tal und schon folgte der zweite Pass: Rostagno. Von da war mein Ziel, die Hütte, nicht mehr weit entfernt. Ich nahm es sehr gemütlich, da ich Zeit hatte. Beim zweiten Pass blickte ich zum Berg hoch und dachte mal wieder: „Viel zu steil, wie soll ich denn da raufkommen!?“ Aber umso näher ich kam, desto realistischer wurde es. Das ist eine meiner grössten Via Alpina Lektionen! So oft habe ich etwas von Weitem gesehen und gedacht, scheisse jetzt muss ich umdrehen, das schaffe ich nie. Zu steil, zu viel Schnee, zu felsig. Und immer hat es irgendwie geklappt und es war dann doch einfacher als erwartet. Diese neue Erfahrung möchte ich unbedingt in mein Leben integrieren und immer zuerst einmal probieren, bevor man es nicht macht, weil es zu schwierig aussieht. Der Pass war wie erwartet doch ganz gut zu meistern und oben angekommen, sah ich die Hütte und zwei Seen. Bei der Hütte war zu meiner Überraschung ein Mann. Er meinte die Hütte ist geschlossen, aber ich könne etwas zu trinken haben. So ass ich ein Panini und trank etwas, um meinen Foodbag zu schonen. Der Hüttenwart erzählte mir noch, wie schwierig es diesen Sommer mit dem Coronavirus war. Es gab viele die kamen ohne Maske und wollten doch reingelassen werden und zeigten keinen Respekt. Ich meinte, er hätte doch einfach Masken für Wucherpreise verkaufen können. Gut fürs Geschäft und sie würden die Maske danach bestimmt immer mitnehmen und nie mehr vergessen. Er zeigte mir danach, wo ich biwakieren darf und kaum lief ich raus, begann es zu regnen und donnern. Im Rekordtempo stellte ich alles auf und verkroch mich ins Zelt. Nach zwei Stunden wagte ich mich wieder nach Draussen und lief ein bisschen um die beiden Seen herum. Dabei beobachtete ich drei ausgebüchste Kälber. Zuerst frassen sie das Gras direkt neben dem Zaun und blieben schön bei der Herde. Doch es ging nicht lange und die drei wanderten gemeinsam umher – und zwar zu meinem Zelt! Ich hatte den Hüttenwart extra gefragt, ob die Kühe auch bleiben wo sie sind. Kaum ist er ins Tal abgestiegen, erkundeten sie frischfröhlich mein spannendes Zelt. Ich zögerte nicht lange und packte mein Rucksack und trug das nasse Zelt zur Hütte. Ich hatte keine Lust auf eine weitere schlaflose Nacht, da ich natürlich Angst hatte, die Herde könnte auch abhauen und den Kleinen folgen. Oben bei der Hütte war der Platz nicht ideal, aber dass die Kühe hierhin kamen war weniger realistisch. Als ich dann gerade die Abendstimmung genoss und auf einem Stein sass, tauchte ein junger Jäger mit einer Frau auf. Sie wollten im Winterraum schlafen, welcher zu Coronazeiten wirklich nur im Notfall benutzt werden darf. Später als es schon dunkel war und ich wegen der Kälte bereits im Schlafsack eingekuschelt lag, kam immer wieder eine „Taschenlampe“ (also natürlich ein Mensch mit Taschenlampe) um mich herumgeschlichen. Ich dachte schon, wieso die nun immer auf mein Zelt leuchten. Doch dann kam ganz scheu die Frage, ob ich auch ein bisschen Risotto von ihnen möchte. Ich sagte automatisch nein, da ich schon gegessen hatte. Dann aber zog ich meine Schokolade aus dem Foodbag und ging um die Hütte herum zu den beiden Jägern – einfach um zu plaudern. Rico und Martina sind aus Cuneo und wir hatten gemeinsam einen gemütlichen Abend (ich bekam Risotto und Tee und sie von mir Lindt Schoggi) unter dem Sternenhimmel. Sie erzählten mir, dass ich auf keinen Fall Angst vor den Jägern haben müsse. Eher haben sie Angst vor den Wandern, da die manchmal aggressiv auf die Jagd reagieren. Es war spannend zu erfahren, wie die Jagd hier in Piemonte funktionierte. Irgendwann wurde es aber zu kalt und ich zog mich in mein Zelt zurück.
Wieder stand eine kurze Strecke an- nach Strepeis beziehungsweise nach Bagni di Vinnadio. Ich hatte im Hotel Corborant ein Zimmer gebucht und freute mich auf einen Pausentag. Im Tal angekommen erzählte mir die Frau des Besitzers, dass es nur fünf Minuten entfernt natürliche heisse Quellen mit kleinen Pools gibt. Die musste ich auf jeden Fall erkunden. Leider war es etwas beschämend zu sehen, dass auch viel Abfall in der Natur verteilt lag. Überall Kerzenwachs, Unterhosen auf dem Baum, Zigarettenstummel und Bierdeckel. Traurig, wie man so achtlos sein Zeugs in der Natur zurücklässt und so etwas aussergewöhnliches, wie diese heisse Quellen nicht mehr schätzt. Dafür habe ich dort Laura und Rosaria kennengelernt. Die zwei Frauen (Rosaria ursprünglich aus Peru und ca. 35 und Laura 55) machten einen Ausflug zu den Quellen und hatten auch Laura‘s Mama dabei, die über 80 war und leider Alzheimer hat. Sie brachten mir Schoggi und Käse und machten ein Foto von mir. Die heissen Quellen waren für mich aber fast ein bisschen zu heiss. So richtig drin war ich nämlich gar nicht. Zurück im Hotel kümmerte ich mich um den Blogpost der Woche 15, der längst überfällig war. Zum Znacht gab es unendlich viel zu essen – es war toll!
Am Pausentag machte ich gar nichts ausser den Blog posten, rumliegen, Emails beantworten und die nächsten Tage planen. Beim Abendessen wurde ich dafür noch richtig gefordert. Es waren wieder die gleichen Leute vom Vorabend da, und ich hatte mit dem Besitzer Franco über die Via Alpina geredet. Nun wollten die Gäste auch Bescheid wissen und so redeten ein Paar auf Französisch mit mir und das andere auf Italienisch. Irgendwann „trümmelte“ mir der Kopf vom hin und her „switchen“ zwischen diesen beiden Sprachen, welche ich beide gar nicht gut spreche. Aber was super cool ist, dass ich bei beiden Fortschritte gemacht habe und flüssiger kommunizieren kann.
Am Samstag regnete es und ich hatte mal wieder keine Lust loszulaufen. Immer wenn ich kein Bock habe, dann bekomme ich Bauchweh. Aber hey, jetzt gibt es eh kein zurück, dass würde ja auch ewig dauern – dann lieber weiter. So wanderte ich los und musste eine unglaublich steile Forststrasse hinter mich bringen, die meine Waden mal wieder ordentlich zum brennen brachte. Steile Forststrassen sind das absolut DOOFSTE beim Wandern. Später überholte mich in einem Mordstempo ein Italiener um die 50. Als ich ungefähr 30 Minuten vom Passo Bravaria entfernt war, kam er mir schon wieder auf dem Abstieg entgegen. Wir plauderten und er stellte sich als Daniele vor. Er kannte alle Berge und jeden Pass in der Umgebung und war auch schon auf dem Matterhorn, der Margheritahütte, den Lyskamm und allen weiteren Hütten im Monte Rosa Massiv, die ich kannte. Wir hatten also viel Gesprächsstoff. Er entschied sich deshalb nochmals zum Pass aufzusteigen – ein zweites Mal, aber in meinem Chiller-Tempo. Daniele war ein interessanter Gesprächspartner und ich genoss die 30 Minuten Unterhaltung. Mittlerweile saugt man wirklich alles an sozialen Kontakten auf, was man bekommt. Ein bisschen lustig ist es schon, wie man sich verändert, wenn man einsam wird. Auf dem Pass erklärte er mir eine sinnvollere Route und als ich sagte, ich habe nicht mehr allzu viel Essen, bit er mir an in zwei Tagen in das eine Rifugio aufzusteigen (wo ich hin will), um mir Essen zu bringen. Das war so unglaublich nett! Aber ich sagte, es wird schon reichen und mit seiner neuen Routen Empfehlung komme ich nochmals schneller vorwärts. Wir machten noch ein Foto und ich gab ihm einen Sticker von meinem Blog. Er hat jedoch kein Computer und kein Smartphone und doch freute er sich extrem über den „wildmountainheart“ Kleber. Als ich ging meinte er, ihm kommen fast die Tränen – er fände es so genial, was ich mache und sei unglaublich beeindruckt. Er wünschte mir alles Gute und schon war ich wieder alleine. Wenn man bedenkt, wie ich am Morgen demotiviert gestartet bin und wie ich nun zufrieden vom Pass nach St. Anna di Vinnadio lief ist es schon schön, wie fremde Menschen mich motivieren können. Ich vergesse manchmal echt, dass es irgendwie inspirierend sein muss, was ich hier mache. Auch wenn ich ja selber von solchen Menschen extrem inspiriert wurde. Es ist nur komisch, jetzt irgendwie selber so eine zu sein. Angekommen in Sant Anna di Vinnadio bekam ich im Rifugio Casa S. Gioachino ein Einzelzimmer. Der Ort ist als Pilgerort wegen dem Sanctuarium (Kirche) bekannt. Für mich nichts Interessantes und somit war ich einfach nur glücklich, einen schönen Tag verbracht zu haben und nun mit einem Dach über dem Kopf einschlafen zu können. Es regnet nämlich. Die nächsten Tage bin ich immer in der Höhe und laufe von Rifugio zu Rifugio, die alle geschlossen sind. Der Wetterbericht meldet Regen für die gesamte Woche. Mal schauen wie das wird.
1 Comment
Beatrice Wüthrich
28. November 2022 at 21:35Hallo Christina
Wie kann ich Dich kontaktieren? Es geht um einen allfälligen Vortrag bei unserer SAC-Sektion im November 2023 (Clubabend). Ich will ganz unverbindlich anfragen… (ist mein “Job”) 🙂