HIKING SCHWEIZ

Bernina Trek – meine erste Weitwanderung (7 Tage)

Im Sommer 2017 entschloss ich mich, nach zahlreichen Wander-Lektüren selbst auf ein Solo-Abenteuer zu wagen. Mit meinem neu-gekauften Einerzelt und einem viel zu schweren Rucksack (20 Kilogramm – Anfängerfehler!), wanderte ich sieben Tage im wunderschönen Engadin auf dem Bernina Trek. Es war eine strenge erste Tour, mit ca. 7000 Höhenmetern und ca. 140 Kilometern (Angaben im Internet variieren). Da ich das Engadin kaum kannte, war es die perfekte Möglichkeit es zu Fuss zu entdecken und Solo-Tour Erfahrungen zu sammeln, da es immer Hütten als Back-up Schlafmöglichkeit gab.

Meine Notizen dieser Wanderung habe ich nun zum Blogpost aufbereitet. Die Bilder sind qualitativ nicht der Wahnsinn, aber für einen Gesamt-Eindruck dieser schönen Tour reicht es. Vielleicht ist der Bernina Trek für den Einen oder die Andere die perfekte Ferienwoche in einem weiteren Corona-Sommer. PS: Bei Wanderungen mit Zelt: Alles so verlassen wie vorgefunden! Auch keine WC-Tücher unter Steinen deponieren 😉

Meine Details zur Route hatte ich 2017 über Graubünden Ferien gefunden. Das PDF, welches ich mir damals zusammengestellt hatte, ist hier zu finden.


Tag 1

  • Meine Strecke: Madulain Bahnhof bis Crap Alv Laiets
  • Originalstrecke: Madulain Bahnhof bis zur Chamanna d’Es-cha (Hütte)
  • Original Streckendetails: 5.5 km, 900 Höhenmeter Aufstieg auf 2594 M.ü.M 3 Stunden

Im August 2017 ging es tatsächlich los! Ich konnte es kaum mehr erwarten, meine erste Weitwanderung zu starten. Meine Katze Sia war bei meiner Familie in den Ferien und meine Mama wollte mich unbedingt zum Startort meiner Wanderung fahren. Sie war fast genau so aufgeregt wie ich – denn sieben Tage allein in den Bergen unterwegs, ohne ein richtiges Dach über dem Kopf, war ich noch nie! Auf dem Weg von Flims ins Engadin “brunchten” wir in einem Hotel in der Lenzerheide und hielten noch beim schönen Lai Palpuogna See in Preda an. Den wollte ich schon lange Mal mit eigenen Augen sehen.

Am Bahnhof Madulain wechselte ich dann meine Schuhe. Ich hatte meine bedingt steigeisenfesten La Sportiva Bergschuhe dabei. Immerhin gilt die Route sogar als hochalpin. Als ich dann den Rucksack aus dem Auto hievte, drückte er mich fast zu Boden. Vor meiner Mama versuchte ich mir nicht viel anmerken zu lassen, ich wollte sie nicht verunsichern. Aber dieser Rucksack war wirklich verdammt schwer – 20 Kilogramm zeigte die Waage am Morgen an. Ich lief los und winkte noch ein letztes Mal, bevor ich hinter einem Hügel verschwand. Es ging nur mühsam vorwärts. Mein Rucksack war schlecht gepackt, überragte mein Kopf und blockierte meinen Nacken und Kopf, sodass ich nicht nach oben schauen konnte, nur gerade aus. Kaum war ich um den Hügel gelaufen, ausser Sichtweite, musste ich alles absetzen und die Riemen neu anziehen. So ging das nämlich unmöglich. Mit den neuen Rucksackeinstellungen war es danach um Welten besser. Kurze Zeit später erblickte ich die Chamanna d’Es-Cha (das eigentliche Ziel der ersten Etappe) und den dahinterliegenden Piz Kesch. Ich lief weiter, bis zum Albulapass. Dort machte ich eine Pause, ich hatte schon meine erste Blase am Fuss, welche ich verarzten musste. Danach kam ich noch bis zu den Seen «Crap Alv Laiets» und fand den perfekten Platz zum Zelten. Es war ein traumhafter erster Abend, mein Risotto mit Mascarpone schmeckte himmlisch und ich genoss ein eiskaltes Bad im See.

Tag 2

  • Meine Strecke: Crap Alv Laiets bis Oberhalb vom Silvaplanersee
  • Originalstrecke: Chamanna d’Es-cha bis zur Chamanna Jenatsch
  • Original Streckendetails: 23 km, +1090 und – 1030 Höhenmeter, 8 Stunden

Die erste Nacht war super, viel besser als erwartet. Mir war nicht mal kalt – davor hatte ich mich gesorgt, ob ich wohl frieren würde. Da ich gestern schon viel weiter gelaufen bin als geplant, liess ich es am Morgen langsam angehen. Ich stand zwar auf, aber da der Tag so schön begonnen hatte, sah ich keinen Grund ich aller Frühe loszulaufen. Ich sammelte Blaubeeren und machte mein erstes Porridge mit Milchpulver. Es schmeckte überhaupt nicht. Um 11.00 Uhr brach ich auf, um den ersten Pass Fuorcla Crap Alv auf 2466 Meter über Meer zu meistern. Dahinter ging es runter ins Val Bever. Ich traf bereits einen weiteren Bernina Trek Wanderer. Er wollte zur Chamanna Jentasch. Ich lief direkt über den Suvretta Pass, der nie enden wollte. Ich war nicht die Einzige, die kämpfte. Ein Vater war mit seiner etwa 11-Jährigen Tochter mit dem Bike unterwegs. Während er leicht und geschmeidig den Passweg hochradelte, kam seine Tochter ins Straucheln. Sie kam kaum noch vorwärts, schaffte es auf dem steilen Weg nicht mehr aufzusteigen bis sie in Verzweiflung geriet und begann auf Italienisch zu schimpfen. Der Vater pushte sie stets weiters. Ich überholte die beiden und irgendwann kamen sie mir nicht mehr nach – sie waren wohl umgedreht. Nach Spass sah das jedenfalls nicht mehr aus.

Auf dem Pass gab es eine kurze Pause. Es war schon 17.00 Uhr, der Himmel grau, die Temperaturen frostig. Nach der Pause wollte ich so schnell wie möglich einen Platz zum Zelten finden. Da ich erwarte, gleich einen zu finden, zog ich den Hüftgurt des Rucksacks nicht mehr schön zu. Schlussendlich fand ich erst zwei Stunden später einen guten Platz. Mein Rücken schmerzte fürchterlich. Erst als ich angekommen war, merkte ich, dass der Grund die nachlässige Art des Rucksack-Tragens war. Selbst schuld… Ich war total kaputt und fragte mich, wie ich in dieser Verfassung morgen weiterwandern sollte.

Tag 3

  • Meine Strecke: Oberhalb von Silvaplanersee bis Lej da Vadret
  • Originalstrecke: Chamanna Jenatsch bis zur Chamanna Coaz
  • Original Streckendetails: 26 km, -17000 und + 1643 Höhenmeter, 8 Stunden

Als ich aufwachte, war ich verblüfft keine Schmerzen zu spüren. Meinen Beinen ging es prima und auch mein Rücken, war trotz einer Nacht auf der Outdoor-Matte fast wie neu. Das motivierte mich und so ging es weiter bis nach Silvaplana. Die Strecke war besonders schön. Überall blühte es und unten die blauen Seen – das Engadin hat schon was Besonderes an sich. Im Volg in Silvaplana kaufte ich Eistee und Chips. Die ass ich auf einer Bank am Silvaplanersee und ging schwimmen. Es war ziemlich kalt, aber tat dem Körper gut. Auf der Bank schlief ich beim Lesen ein. Meinen Porridge hatte ich mittlerweile im Abfall entsorgt. Das Zeug war ungeniessbar und unnötig Gewicht mitschleppen wollte ich nicht. Am frühen Nachmittag wanderte ich zur Bergbahnstation Corvatsch-Surlej. Ich entschied mich die Bahn bis Murtél zu nehmen. Meine Motivation direkt unter der Bahnstrecke hochzulaufen war nämlich unterirdisch. Trotzdem fühlte sich dieser Entscheid nach «betrügen» an. “Aber was solls, für meine erste Weitwanderung sind das bestimmt schon genug Kilometer…”, so meine Gedanken, welche meine Entscheidung bekräftigen.

Nach der Bahnfahrt folgte ein Passaufstieg bis zur Fuorcla Surlej. Auf der anderen Seite ging der Weg wieder bergab. Ich wollte zum See, Lej Vadret um dort am Ufer zu schlafen und nicht zur Chamanna Coaz. Doch dort wo ich runter laufen wollte, kam ein blau/weisser Wegweiser. In der Schweiz heisst das: Trittsicherheit gefordert / Absturzgefahr. Die normalen Bergwanderwege sind rot/weiss. Es könnte also gefährlich werden. Mit meinem schweren Rucksack traute ich mir nicht viel zu. Man kann sich nicht so gut bewegen und ist träge. Auch verliert man mit dem Zusatzgewicht schneller die Balance. Daher besorgte mich dieser Abschnitt. Glücklicherweise kamen mir zwei Frauen entgegen – sie waren auf dem Weg zur Chamanna Coaz. Ich fragte sie, was mich auf dem Weg erwarten würde und sie meinten, ausser Bergsturzgeröll sei es keine schwierige Passage. Doch sie fragten noch, was ich denn um diese Zeit dort unten wolle. Da es zwei Frauen waren, sagte ich ihnen, dass ich unten schlafen wollte – direkt am See. «Alleine? Hast du keine Angst vor dem Wolf?” fragte eine von den Beiden. “Nein, der Wolf ist doch scheu, der kommt bestimmt nicht vorbei!” gab ich so selbstbewusst wie möglich zurück. “Und was ist mit dem Bär?» fragte die Frau weiter. Oje, daran hatte ich gar nicht gedacht. Bären in Graubünden…

Der Weg zu See war schlussendlich gut zu meistern. Unten angekommen badete ich wieder. Etwas vom Schönsten ist es, nach einem Seebad in den kuschligen Schlafsack zu steigen. Da das Wetter gut war, entschied ich mich das Zelt nicht aufzubauen. Auf Sand am Ufer biwakierte ich, mit Blick auf das gesamte Bernina-Massiv (Piz Roseg, Piz Bernina, Il Chapütschin) und zwei Gletschern. Ich überlegte noch, was passieren würde, wenn ein grosser Teil des Gletschers abbricht und in den See fällt – ob es dann einen Tsunami gäbe?! Die Chance, dass so etwas Irres passieren würde, schätzte ich als gering ein.

Tag 4

  • Meine Strecke: Lej da Vadret bis Tschierva Hütte
  • Originalstrecke: Chamanna Coaz bis zur Tschierva Hütte
  • Original Streckendetails: 8 km, +585 und -611 Höhenmeter, 4 Stunden

Die gesamte Nacht plagten mich Bären-Albträume. Ich wachte auf, als ein Bär (im Traum) gerade meinen Kopf versuchte zu fressen (Szene genau wie in echt – ich an meinem Traum-Biwak Platz ohne Zelt). Obwohl ich mir am Abend vor dem Einschlafen noch dachte, umso weniger ich wisse, desto besser – hielt ich es nun nicht mehr aus und googelte um 02.00 Uhr in der Nacht, wo der Bär (ja es war nur einer damals) sich gerade befand.
Zuletzt gesehen: In Italien. Phu, was für ein Glück. Danach konnte ich endlich schlafen.

Am Morgen entschloss ich mich, die kommende Nacht in der Tschiervahütte zu verbringen. Für den Abend war nämlich ein Gewitter gemeldet worden. Auf meiner topografischen Karte entdeckte ich auf dem Weg zur Hütte eine seltsam markierte Abkürzung über den Fluss. Ich hielt aufmerksam Ausschau, wann ich abbiegen musste, da es kein offizieller Weg war. Ich erwartete dort auf eine Brücke zu stossen. Die Abzweigung fand ich schlussendlich durch die markierten Steinmännchen. Doch dann kam keine Brücke, sondern eine Selbstbedienungs-Flussüberquerungs-Bahn. So etwas hatte ich davor noch nie gesehen. Erst musste ich das System der Bahn entschlüsseln und als ich versuchte mich darauf zu setzen, war das wegen meinem grossen Rucksack fast unmöglich. Diese Überquerung war nicht ganz ohne, der Fluss führte nämlich viel Wasser. Ein bisschen schräg sitzend klappte es doch noch und ich zog mich mit aller Kraft ans andere Ende. Meine Füsse kamen ins Wasser – doch zum Glück waren meine Schuhe komplett wasserdicht. Der Adrenalinspiegel schnellte in die Höhe und auf der anderen Seite angekommen, jauchzte ich vor Freude. Ich war stolz auf mich. Ich hatte diese coole Abkürzung tatsächlich gefunden und bin sicher auf der anderen Seite angekommen. Ein Erfolg!

In der Tschierva Hütte gönnte ich mir für fünf Franken eine Dusche. Beim «Znacht» sprachen die weiteren Wanderer (zwei davon waren auch auf dem Bernina Trek) über die Abkürzung über den Fluss. Niemand hatte sie gefunden. Jetzt kam meine «Time to shine» 🙂 Ich meldete mich und erklärte genau, wo sie war. Denn ich hatte sie ja gefunden. Auch meinte ich, dass die Überquerung aber nichts für schwache Nerven wäre. Ich musste sogar Beweisfotos rumzeigen. Ab da war ich die “Heldin des Abends” unter den Hüttengästen. Auch waren alle beindruckt, dass ich einen so schweren Rucksack mit Zelt und Essen mittrage und normalerweise im Freien übernachte. Den Abend liess ich auf der Terrasse ausklingen. Auf der Tschiervahütte gibt es nämlich einen Schäferhund, der gerne gestreichelt wird.

Tag 5

  • Meine Strecke: Tschiervahütte bis Ospizio Bernina
  • Originalstrecke: Tschierva Hütte bis zur Chamanna Boval
  • Original Streckendetails: 21 km, +680 und -765 Höhenmeter, 7 Stunden

Es sollte ein langer Tag werden – das wusste ich beim Start aber noch nicht. Nach einer erholenden Nacht ging es von der Tschierva Hütte durchs Val Roseg bis Pontresina und weiter durch den Taiswald bis nach Morteratsch. Es war eine lange, flache Strecke, sodass ich zum ersten Mal mit Kopfhörern Musik hörte. Das Musikhören hatte zur Folge, dass ich singend in einem persönlichen Rekordtempo wanderte. Bei der Bahnstation Morteratsch gibt es ein schönes Restaurant, wo ich mir eine Portion Pizoccheri gönnte. Eines meiner Lieblingsgerichte. Danach wanderte ich nicht zur Chamanna Boval, sondern direkt in Richtung Diavolezza. Den Ort kannte ich schon, oft war ich hier zum Skifahren im Mai, wenn sonst schon alles geschlossen war. Nach Diavolezza wanderte ich bis zum Berninapass, wo ich mir ein Stück Kuchen gönnte. Ich war schon über 30 Kilometer gelaufen und meine Fusssohlen brannten wie verrückt. Noch nie zuvor war ich 30 Kilometer am Stück gewandert, mit so einem schweren Rucksack – ein neuer Rekord. Der Himmel verdunkelte sich und nach einem Telefonat mit meiner Mama, änderte ich den Übernachtungsplan. Eigentlich wollte ich noch etwas weiterlaufen und auf dem Pass das Zelt aufstellen. Schlussendlich buchte ich ein Zimmer im Ospizio Bernina. Den Abend verbrachte ich mit «Füsse-verarzten». Um sie stand es nun ganz schlecht. Ich hatte viele tiefe Blasen an fast jeder Zehe eine. Auch plagte mich ein merkwürdiger Ausschlag* an meinen Füssen und den Waden. Es juckte und war stark gerötet. Das hatte ich davor noch nie.

*PS: Es waren Kapilarblutungen (purpura d’effort) = Durchblutungsstörungen. Treten auf, wenn es sehr heiss ist (lange Hose, Schuhe die nicht atmungsaktiv sind) und man seinen Körper stark belastet. Habe ich aber erst drei Jahre später herausgefunden, nach regelmässigem Auftreten. Dagegen half einzig und allein: Kurze Hose & atmungsaktiver Schuh. Von den Cortison-Cremen würde ich abraten!

Tag 6

  • Meine Strecke: Ospizio Bernina bis Lago Saoseo mit open-air Biwak am Bach
  • Originalstrecke: Chamanna Boval bis zum Rifugio Saoseo
  • Original Streckendetails: 25 km, +821 und -1280 Höhenmeter, 7 Stunden

Am Morgen war ich mit Mama verabredet. Die letzten zwei Tage wollte sie mich auf meinem Abenteuer begleiten. Ich schaute aus dem Fenster des Ospizio Bernina und da war sie und winkte mir zu. Danach fuhren wir gemeinsam mit dem Auto nach Poschiavo, um es dort zu parkieren. Mit dem Zug ging es wieder an den genau gleichen Ort zurück – zum Berninapass, wo wir unsere Wanderung am zweitletzten Tag des Bernina Treks starteten. Die Strecke war nicht gut beschildert und wir waren uns bei “La Rösa” nicht immer sicher, richtig gelaufen zu sein. Das kostete mehr Zeit als eingeplant (wir sind schlussendlich wirklich ein paar Mal falsch gelaufen). Der Tag war etwas frustrierend. Es war extrem heiss und der Lago di Saoseo wollte nicht kommen. Meine Füsse waren ständig schwitzig und schmerzten fürchterlich – zudem juckte der Ausschlag. Die Hitze machte mich wahnsinnig. Beim See angekommen badeten wir beide – die kalte Wassertemperatur war eine richtige Wohltat.

Danach liefen wir wieder ein Stück weiter zu einem kleinen flachen Platz an einem Bach. Dort legten wir die beiden Matten aus, denn da Mama kein Zelt hatte, biwakierten wir im Freien. Sie hatte die Ausrüstung meines Bruders dabei. Doch sie war so nervös, dass sie gar nicht von der feinen Suppe essen konnte, die ich für uns beide gekocht hatte. Sie legte sich sofort komplett angezogen (sogar mit Regenjacke) in den Schlafsack. Ich verarztete währenddessen wieder einmal meine Füsse. Der heutige Tag haben ihnen den Rest gegeben. Sie sahen schrecklich aus. Als ich fertig war, musste ich Mama erst überreden ihre sieben Schichten auszuziehen. «Der Schlafsack funktioniert mit Körperwärme – du musst deine Sachen ausziehen, am Schnellsten wärmt er, wenn man nur in Unterwäsche bekleidet darin ist!», sagte ich ihr. Lustig war, dass es auch noch sehr warm war und ihr zu diesem Zeitpunkt unmöglich kalt sein konnte – aber sie hatte Angst in der Nacht aufzuwachen und zu frieren. «Und was wenn ein Gewitter kommt?» fragte sie mich. Ich meinte, dass keines kommt und auch wenn sie frieren würde, werde sie auf keinen Fall erfrieren. Dafür war es nänlich viel zu warm, mitten im Sommer. Endlich zog sie ein paar Schichten aus.

Um 12.00 Uhr nachts wachten wir zeitgleich auf. «Mir ist sooo heiss!» jammerte Mama. Ich musste lachen! «Ja dann mach halt den Reissverschluss des Schlafsacks auf und mach ein Bein raus, so wie ich.» empfahl ich ihr. Sie hatte zwar Angst, ein Tier könnte sie nun in den Fuss beissen, aber tapfer überwindete sie sich. Wir quatschen mitten in der Nacht noch bestimmt eine Stunde.

Tag 7

  • Meine Strecke: Lago Saoseo bis Poschiavo
  • Originalstrecke: Rifugio Saoseo bis Poschiavo
  • Original Streckendetails: 13.6 km, +327 und -1292 Höhenmeter, 4.5 Stunden

Nach dieser schönen Nacht mussten wir es nur noch nach Poschiavo schaffen. Das Ende war nah! Einmal verliefen wir uns fast – denn obwohl es nach Poschiavo bergab ging, mussten wir bei «Aura Freida» nochmal über eine höhere Ebene zum «Hochmoor Plan San Francesc» aufsteigen. Dort mussten wir durch eine Kuhweide, was mir immer ein unwohles Gefühl gibt. Dafür wurden wir mit einer Aussicht auf den Palü Gletscher und den Piz Palü belohnt. Der Weg nach Poschiavo war einfach – meistens war es ein breiter Forstweg. Ich hinkte mittlerweile und hielt es nach zwei Stunden nicht mehr in meinen klobigen Bergschuhen aus. Ich zog die Wanderschuhe ab und tauschte sie gegen meine Wandersandalen. Doch das hatte zur Folge, dass immer wieder kleine Kieselsteine in die Sandale kamen. Ich dachte tatsächlich kurz vor dem Ziel ans Abbrechen. Mama sagte, sie würde runter laufen und das Auto holen. Doch ich wollte nicht aufgeben, es waren nur noch zwei Stunden bis Poschiavo. Schmerzen hin oder her, das ziehe ich nun durch.

Wir liefen im Schneckentempo und trotzdem wurde es immer schlimmer. Das muss ja ausgesehen haben – meine Wanderstöcke belastete ich mittlerweile so stark, als wären es Krücken. Nach über zwei Stunden hatte ich endlich Poschiavo direkt unter mir. Ich war so froh, dass diese Qual bald endete. Mama hingegen ging es prima. In Poschiavo angekommen, setzte ich mich im Dorf bei einer Bushaltestelle auf den Boden, während Mama das Auto holte. Ich war so stolz, meine erste Weitwanderung hatte ich geschafft. Und viel hatte ich dabei gelernt. Auf der Rückfahrt machten wir einen Abstecher nach Livigno in Italien und gönnten uns eine Pizza. Mama war so beeindruckt von ihrer Nacht unter den Sternen, dass sie noch lange allen davon erzählte.

Meine ersten Learnings:

  • Weniger einpacken (hatte eine Tasse dabei, Badetuch, zu viele Kleider). Die Packliste wäre heute unbrauchbar, daher empfehle ich direkt die Via Alpina Packliste zu prüfen, bei Interesse. Die ist nämlich wirklich gut.:)
  • Nicht übertreiben: Am Tag an welchem ich meinte ich müsse mir beweisen, dass ich stark bin und über 30 Kilometer wanderte, ruinierte ich mir die Füsse, was meine Laune in den folgenden Tagen ziemlich senkte.
  • Nie mehr Porridge mitnehmen, allgemein weniger Essen mitnehmen, wenn es unterwegs Einkehrmöglichkeiten gibt (lieber mehr Geld – dafür weniger Gewicht).
  • Keine harten Bergschuhe auf Weitwanderungen.

Die Highlights des Bernina Treks gibt’s auch hier zu sehen..

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1 Comment

  • Reply
    Andrea
    26. Dezember 2023 at 0:51

    Hallo Christina!
    Voll interessant, deine Erfahrungen!! – Vielen Dank für’s Teilen!
    Eine Frage hätte ich: Was nimmst du denn dann jetzt zum Frühstücken mit? Einfach nur Riegel? Und generell, wenn mal keine Hütten am Weg sind?
    Danke und viele Grüße!
    Andrea

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