VIA ALPINA

Woche 11 – Ankunft am Meer nach 1600km

Am Sonntag bin ich aufgrund der vorhergesagten Temperaturen von 34 Grad Celsius schon vor 06.00 Uhr los. Die Wanderung war glücklicherweise im Wald und ausser vielen Gämsen und Rehen bin ich nur einem anderen Menschen begegnet. Um 11.00 Uhr war ich bereits beim nächsten Camping. Der Camping Mirjam bei Razdrto hatte nämlich einen Pool! Deshalb hatte ich mich beeilt und keine Pausen gemacht, um den Pool möglichst umfassend ausnützen zu können. Den gesamten Tag habe ich mit Lesen und Rumliegen verbracht. Obwohl ich mich erst total auf den chilligen Tag gefreut hatte, dachte ich am Abend darüber nach, dass so Badeferien bzw. einen ganzen Tag alleine rumliegen wirklich ziemlich langweilig ist. *Kurzer Katzengeschichte-Einschub*: Aber ich hatte dort auch Wifi und wurde den ganzen Nachmittag von Christian mit Katzenfotos bombardiert. Es war ein grosser Tag für mich, auch wenn ich gar nicht Zuhause war. Denn nachdem meine Katze Sia vor fast zwei Jahren überfahren wurde, habe ich lange auf Nachwuchs aus der gleichen Katzenfamilie gehofft. Vorübergehend schien nichts daraus zu werden und dann genau einen Tag vor meiner Via Alpina Abreise wurden zwei kleine Büsis geboren. Ich habe sie in letzter Minute noch besucht und bin dann losgewandert. Da ich noch bis im Oktober unterwegs sein werde, kümmert sich mein Freund um Yuki (das neue kleine Büsi). An diesem Tag hat er sie/er abgeholt und ich wollte alles dokumentiert bekommen. Das erste Mal das Katzenklo benützen, den ersten Mittagsschlaf, das erste Mal essen und so weiter. Crazy Catlady eben. Am Abend gab’s ein kleines Gewitter und danach bin ich früh ins Bett, denn auch der nächste Tag sollte sehr heiss werden.

Er war meine vorerst letzte Nacht im Zelt. Das Coole: Mittlerweile schlafe ich richtig gut in meinen 4 Nylon-Wänden. Und das, obwohl ich beim Schlafen auf der aufblasbaren Matte nach einem Skiunfall im Winter 2016 immer Hüftschmerzen hatte. Erholt packte ich mein Hab & Gut zusammen und lief erneut vor 06.00 Uhr los. Es stand eine Etappe von 9 Stunden auf dem Programm und ich wollte nicht in der Mittagshitze laufen und gegen 12.00 Uhr eine längere Pause im Schatten machen. Deshalb lief ich im Morgengrauen alleine durch den Wald und musste immer wieder verwilderte Wege durchlaufen. Dabei räumte ich ein Spinnennetz nach dem anderen ab. Eine Kombination die ich gar nicht mag: Sonnencreme-klebrige Haut, verschwitzt sein und Spinnennetze im Gesicht. Auch Brennnesseln säumten den Weg, aber mit langen Hosen in dieser Hitze wandern, wäre auch nicht angenehm gewesen. Da ich nicht mehr so motiviert war, wollte ich einmal noch über eine Autotrasse die Route abkürzen. Dort angekommen war mir der Verkehr jedoch zu gross und ich musste den Weg wieder zurück zum Wanderweg laufen und hatte anstatt ein paar Minuten gespart, ein paar zusätzliche verloren. Irgendwann wurde es so heiss, dass ich mitten auf dem Wanderweg eine Pause machen musste und mich auf den Rucksack setzte. Die Hitze macht mich immer so fertig! Ich kämpfte mich aber noch auf den „Kokosberg“ und machte dort eine 2-stündige Pause im Schatten bei der Koca (Hütte), die wie immer nicht offen war. Ich schlief sogar auf der Bank ein und war danach total versteift. Ich bemerkte dann auch noch, dass mein Stofftuch (mein Badetuch, mein Putztuch, mein Filter usw.) mir von den Stachelpflanzen am Weg vom Rucksack gerissen wurde. Schade, davor hatte ich nie etwas vergessen oder verloren. Aber wenigstens am zweitletzten Tag und nicht schon zu Beginn. Um 14.00 Uhr ging es weiter und ich passierte die unsichtbare Grenze von Slowenien und Italien in Richtung Rifugio Premuda. Ich konnte das Meer wieder sehr gut erkennen und der Weg im Val Rosandra war überraschenderweise nochmals ziemlich cool – sogar ein bisschen anspruchsvoller, denn es ging über Felsen ins Tal zu einem kleinen Fluss. Beim Fluss hatte es viele Leute, da es Mini-Pools hatte. Ich plante zuerst zur Hütte zu laufen und später zurückzugehen, um auch dort baden zu gehen. Jedoch wurde mir bei der Hütte angekommen mitgeteilt, dass sie jetzt zumacht und man auch nicht mehr dort schlafen kann. Schade, ich wollte die Nacht doch in der letzten Via Alpina Hütte vor Trieste verbringen. Also musste ich nach über 35 Kilometer noch weiterlaufen bis Bagnoli und kam in ein Café, wo ich panierte Auberginenkreise (nur so sind Auberginen geniessbar) ass und recherchierte, wo man heute Nacht schlafen könnte. Einen Camping hatte es nicht, aber ein Apartmenthotel. Dort buchte ich für eine Nacht im einem kleinen Studio, was natürlich viel zu viel war (und auch etwas teuer), aber bessere Möglichkeiten gab es leider nicht. Ich ass alle meine restlichen Suppen auf und ging schlafen.

In der Nacht war mir viel zu warm, denn die Klimaanlage funktionierte nicht. Die Fenster waren zwar offen, aber es nützte nichts. Aber das war egal, denn heute war der letzte Wandertag bis nach Trieste und ich konnte es kaum erwarten. Der Weg folgte der Alpe Adria Route und war recht cool – nicht so, wie man es in unmittelbar Stadtnähe erwarten würde. Sogar etwas felsig. Danach kam ich auf einen Forstweg und entdeckte einen Rucksack, Kleider verstreut am Boden und daneben einen Personalausweis. Ich dachte sofort an das Schlimmste! Hier muss jemand ausgeraubt und umgebracht worden sein! Meine Beine fingen an zu zittern und ich machte Fotos von der Szene und vom Personalausweis und ging sehr schnell weiter. Es wurde immer gruseliger! Ich sah sicher 10 Rucksäcke, unendlich viele Kleider und Schuhe (Vieles auch in noch ziemlich guter Qualität) und einmal auch drei Schlafsäcke ausgebreitet auf dem Weg. So als wäre erst gerade jemand aufgestanden aus seinem Nachtlager. Natürlich sollte man nicht immer grad alles so panisch sehen, aber für mich sah das nach einem Obdachlosenlager im Wald aus und die Rucksäcke etc. mit ganzen Ausweispapier wurde vermutlich gestohlen. Natürlich hatte ich Angst jemandem über den Weg zu laufen und als ich kurz auf eine Strasse kam, war ich sehr erleichtert. Doch dann musste ich wieder durch den Wald und auch dort bot sich mir immer noch das Gleiche. Kleider überall. Man weiss in so einem Fall nie, wie die Leute drauf sind. Vor allem wenn Drogen im Spiel wären (auch wenn ich jetzt alle Klischees aufzähle) und alleine als Frau im Wald fühlt man sich schon recht hilflos. Zum Schluss wurde ich noch von einem Fliegen- & Mückenschwarm verfolgt, sodass ich so froh war, endlich in der Stadt angekommen zu sein und neben den vielen Autos auf dem Bürgersteig laufen zu dürfen. Die Strecke verlief neben einem Fluss und nach der Brücle sah ich auf einmal nichts mehr dahinter. Kein Haus und nichts. Dann dämmerte mir, dass dahinter das Meer ist! Wow, okay jetzt also ist es soweit und ich bin wirklich bis ans Meer gelaufen. Etwas später kamen auch schon die „Badestrände“ – also Betonplatten am Meer – wo sich viele Leute sonnten. Doch ich musste bis Muggia noch drei Kilometer weiter und grinste wie wahnsinnig. Es war ein schönes Gefühl, das Meer und die vielen Schiffe zu sehen!

In Muggia angekommen sah ich am Meer einen schönen Platz und entschied mich dort mein „am-Meer-angekommen“ Bild zu machen. Ich baute mein Mini-Stativ auf – und ja es war sehr peinlich, damit von mir selber Fotos zu machen. Aber hey, ich meine diesen Moment muss man doch festhalten und mit dem Stativ werden die Fotos auch recht gut und genau so, wie ich sie möchte. Also nicht komplett schräg oder mit Finger in der Linse, wenn man einen Passanten fragen würde. Daneben hatte es fünf Fischerruten und weil ich so lange an meinem Stativ herum hantierte, dachten die Fischer (sie hatten Unterricht mit einer Schulklasse), ich würde wohl die Fischerruten klauen wollen und haben sie weggepackt. Und nein, nach den Fotos bin ich nicht ins Meer gehüpft und habe geplanscht und diesen Moment genossen. Für so drei Sekunden habe ich meine Füsse ins Wasser gehalten und fühlte mich schon klebrig. Vom Meer bekomme ich seit ich denken kann Ausschlag und verzichte wenn möglich auf ein Bad – ausser es gibt eine Duschmöglichkeit für danach. Meer: Nicht so meins. (War eine harte Zeit für mich, als ich dachte ich werde ein Surfer-Girl. Aber das sind wahrscheinlich „tempi passati“.) Und genau aus diesem Grund hatte ich mir (ja – jetzt schöpfe ich aus dem Vollen) ein Hotel direkt am Hafen San Rocco mit Pool gebucht. Ich gehe eigentlich nicht mehr an warme Orte in die Ferien und wenn, dann ganz bestimmt nicht ohne einen Pool in der Nähe. Sonst hält man das doch nicht aus. Nach dem Einchecken konnte ich mich verdient abkühlen und es war herrlich!

Auf dem Weg in die Stadt, also Trieste, frisch geduscht, wurde mir bewusst wie heiss es eigentlich war. 37 Grad zeigte die Apotheke an und es liefen mir Schweisstropfen den Rücken runter. Finde ich etwas vom SCHLIMMSTEN! Beim Wandern okay, aber einfach so beim Rumschlendern. Schrecklich. In Trieste hatte ich eine Mission. Ich wollte mir ein Outfit – voraussichtlich ein Sommerkleid – kaufen für die Heimreise und natürlich auch als schöne Erinnerung. Endlich nicht mehr – also für kurze Zeit – in Wanderbekleidung. Aber in dieser Hitze shoppen ist eine doofe Idee. Zuerst musste ich einen kühlen Ort finden, um zu „trocknen“. Da kann ich die Supermärkte mit ihren Kühlregalen sehr empfehlen. War immer eine Wohltat während der Wanderung, ein bisschen Zeit vor den Kühlregalen zu vertrödeln. Trieste ist übrigens sehr schön. Aber ich muss zugeben, dass Städte für mich immer langweiliger werden. Jetzt freute ich mich vielleicht ein bisschen mehr, weil ich schon sehr lange nicht mehr so viel Möglichkeiten hatte, wie man sie in einer Stadt hat. Vielleicht kaufe ich mir sogar einen Augenbrauenstift, den habe ich nämlich manchmal etwas vermisst wegen meinen schrecklichen, geraden Augenbrauen. Meinen Wunsch ein schönes Sommerkleid zu finden (ich hatte sehr genaue Vorstellungen: Hellblau & weiss mit Blumenmuster), war schwieriger als erwartet, aber ich fand einen coolen Rock und habe auch ein richtiges Shampoo gekauft. Sogar den Augenbrauenstift meiner Lieblingsmarke habe ich entdeckt und gekauft. Nach dem Shopping kaufte ich mir mein Zugticket für die Heimreise, schlenderte noch etwas durch die Altstadt. Mit dem Boot fuhr ich gegen 20.00 Uhr zurück nach Muggia. Das Boot legte genau dort an, wo ich gegen Mittag die Meer-Bilder gemacht hatte. Da ich mich auf einer Toilette schon umgezogen hatte, fand ich es witzig die 8h Transformation festzuhalten und hab dort nochmals ein Foto gemacht. Der Znacht fiel leider weniger gut aus als erwartet und es waren auch fast alle Restaurants ausgebucht. Aber ich war sehr zufrieden, mit meinem ersten Tag am Meer.

Den folgenden Tag hatte ich als Erkundungstag eingeplant. Ich badete am Morgen nochmals im Pool und ging in die Stadt. Am Mittag gab es eine Pizza und nachdem ich via „Zetteli-Botschaft“ eine Einladung für einen Drink vom jungen Kellner ablehnen musste, gönnte ich mir Pedi- und Manicure. Meine Füsse sahen nicht mehr so schön aus und ich freute mich sehr auf die Pedicure. Leider waren auch alle Nail-Salons ausgebucht (mann ist hier viel los) und somit gab’s leider nicht das ganze Fuss-Spa Programm. Aber optisch sah nun alles wieder tip top aus. Mit dem Bus ging es von Trieste wieder nach Muggia und ich blieb bis zum Sonnenuntergang am Pool. Den Abend verbrachte ich beim Kartenschreiben und Pina Colada schlürfend am Hafen San Rocco. Ich konnte es kaum erwarten, ein paar Tage zu Hause verbringen zu dürfen und freute mich extrem.

Um 07.00 Uhr fuhr ich mit dem Taxi an den Bahnhof und lernte am Bahnhof Finja aus Deutschland kennen. Sie ist 21 und wäre eigentlich auf einer Backpacker-Tour in Indien. Wegen Corona ist sie nun 3 Wochen in Europa unterwegs. Finja und ich quatschen fast zwei Stunden, bis ich in Mestre-Venezia ausstieg um in den Zug nach Milano zu wechseln. Auf dieser Strecke wurde direkt neben mir die Notbremse gezogen, da sich aus irgendeinem Grund eine Familie unglücklicherweise getrennt hatte. Mutter, Vater und Tochter standen noch im Zug, während ein kleiner Junge schon draussen stand als sich die Türen schlossen und der Zug abfuhr. Es wurde laut herumgeschrien und war ein riesen Chaos. Aber die Familie wurde wiedervereint und wir konnten weiterfahren. Von Milano nahm ich den Zug nach Lugano und dort wurde ich von zwei 50-Jährigen mit ihrem „super coolen“ Latino Sound unterhalten, bis ich es nicht mehr aushielt und das Abteil wechselte. In Lugano holte mich meine Mama ab und nach einem Willkommensdrink fuhren wir die restlichen zwei Stunden bis nach Flims. Am Freitag werde ich Yuki & Christian abholen und Yuki wird dann zehn Tage bei mir sein. Am 23. August werde ich die rote Via Alpina fortführen und von der Schweiz nach Monaco laufen.


Die Fakten zur bis jetzt gelaufenen Strecke:

  • Trail: die rote Via Alpina
  • Strecke: Vernayaz (nähe Genf) bis Trieste in Italien am Meer (Schweiz, Italien, Österreich, Slowenien)
  • Kilometer: 1600+
  • Höhenmeter: ca. 80’000 +/-
  • Tage: 73 Tage unterwegs (31. Mai gestartet) minus 8 Pausentage sind 65 Wandertage
  • Tagesdistanz: 25 Kilometer im Durchschnitt
  • Geschwindigkeit: Sehr unterschiedlich, im Schnitt 3.9 km/h
  • Höchster Punkt bisher: 2845 m.ü.M. bei der Dreisprachenspitze

Aber ich bin noch nicht ganz fertig. Die französischen Alpen sind bestimmt noch ein richtiges Highlight und ca. 700 Kilometer warten auf mich.

In rot ist die ungefähr bis jetzt gelaufene Strecke erkennbar.

Der nächste Blogpost wird alle Fragen beantworten, welche mir via Instagram gestellt wurden.
Beispielsweise welche Tipps ich gegen Blasen habe, wie ich mich auf die Via Alpina vorbereitet hatte und was ich gegen die Einsamkeit mache.

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